Sie sind wieder präsent: Versprechen rund um Steuersenkungen, Arbeitsplatzbeschaffung, niedrigere Sozialausgaben und viele weitere Zusicherungen. Die Wahlversprechen der Parteien übertrumpfen sich gegenseitig und zieren deren Wahlprogramme. Einmal mehr werden in dieser Wahlkampfperiode Versprechen gemacht, die den Wähler für sich gewinnen sollen. Und trotzdem blickt der Wähler teilweise kritisch auf die Wahlprogramme, denn wurden einige Punkten nicht auch schon vor Jahren bereits versprochen? Fraglich ist, wie viel von den Inhalten der Wahlprogramme schlussendlich auch umgesetzt wird. Vor allem dann, wenn die Umsetzung einzelner Programmpunkte mit hohen Kosten verbunden ist und diese Kosten durch den Staat erst einmal gedeckt werden müssen.

Umsetzung von Wahlprogrammen aus Sicht der Mandatstheorie

Vertrauen spielt im Rahmen von Wahlen eine wesentliche Rolle. Denn nur wenn das Vertrauen der Wähler in die Umsetzung der Wahlprogramme gegeben ist, werden die jeweiligen Parteien gewählt. Die Wähler stehen somit vor der Frage, ob und in welchem Ausmaß die Wahlversprechen in der danach folgenden Legislaturperiode auch wirklich umgesetzt werden. Mit diesem Problem beschäftigt sich die Mandatstheorie, nach der Parteien aufgrund ihres Wahlprogramms gewählt werden und dadurch einen politischen Vertretungsauftrag erhalten, um in der kommenden Legislaturperiode die Politikinhalte umzusetzen. Die Mandatstheorie hat sogar zeigen können, dass sich Parteien in der Regierung, die sich nach der Wahl gebildet hat, an dem orientieren, was sie vor der Wahl versprochen und im Wahlprogramm angeboten haben und das umzusetzen versuchen (siehe auch Klingemann/Hofferbert/Budge 1994, vgl. auch die Übersicht in McDonald/Budge 2005).

Zudem konnte auch gezeigt werden, dass Parteien, die nach der Wahl eine Regierung bilden, mehr Wahlversprechen umsetzen, als Parteien, die nach der Wahl in der Opposition ihren Platz finden. Des Weiteren werden Wahlversprechen natürlich dann besser bzw. erfolgreicher umgesetzt, wenn materielle, personelle und politische Ressourcen vorhanden sind. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass der Anteil verwirklichter Wahlversprechen insbesondere dann hoch ist, wenn zwischen den Regierungsparteien bereits im Wahlkampf oder nach der Verhandlung des Koalitionsabkommens Konsens bestanden hatte. Auch können Regierungsparteien, die in einer Einparteienregierung regieren, mehr Wahlversprechen umsetzen als Parteien, die nach der Wahl eine Koalition bilden.

Auch wenn die Mandatstheorie besagt, dass Parteien sich an den Inhalten ihres Wahlprogramms orientieren und versuchen, dieses umzusetzen, so stellt sich aus ökonomischer Sicht trotzdem die Frage, ob Wahlversprechen wie beispielsweise Steuerentlastungen auch so einfach umsetzbar sind? Es ist ein leichtes den Wählern diese monetäre Entlastung schmackhaft zu machen, trotzdem gehen damit Staatseinnahmen verloren, die in irgendeiner Weise wieder kompensiert werden müssen.

Steuersenkungen

Ohne direkt auf die Wahlprogramme einzelner Parteien einzugehen, sticht ein Programmpunkt immer wieder heraus: die Senkung von Steuern bzw. Steuerentlastungen. Diese Wahlversprechen bedeuten jedoch auch, dass sich Staatseinnahmen vermindern und kompensiert werden müssen. Dabei versuchen Parteien in ihren Wahlprogrammen, wenn auch etwas holprig, ihren Plan darzustellen, wie die versprochene Steuerentlastung finanziert werden soll.

Um die entgangenen Steuereinnahmen zu finanzieren, gehen Parteien in ihren Wahlprogrammen immer wieder davon aus, dass durch die Steuerentlastung das Wirtschaftswachstum angekurbelt wird. Dies anscheinend in solch einem Ausmaß, als dass das zusätzliche Wachstum einen beträchtlichen Anteil der verminderten Steuereinnahmen ausgleichen kann. Diese Gegenfinanzierung sieht auf Papier zwar schön aus, kommt bei den Wählern auch an, lässt jedoch einen wissenschaftlichen Punkt außer Acht: dieser Selbstfinanzierungseffekt (Steuersenkung wird durch Wirtschaftswachstum kompensiert) tritt allenfalls mit einer zeitlichen Verzögerung ein. Zudem lässt sich diese Gegenfinanzierung mittels Wachstum höchstens zu einem Drittel der versprochenen Steuerentlastung finanzieren. Bis diese Selbstfinanzierung auch greift, müssen die verminderten Steuereinnahmen in dieser Übergangszeit durch anderen Einnahmen finanziert, eine höhere Staatsverschuldung in Kauf genommen oder Staatsausgaben gekürzt werden.

Wirtschaftswachstum ist bei Steuersenkungen demnach nicht sofort sichtbar. Auch die Ökonomen Auerbach und Gale (2009) haben sich mit den Wirkungen von Steuersenkungen, insbesondere in den USA, auseinandergesetzt. Dabei konnte festgestellt werden, dass Konsumausgaben und somit Wirtschaftswachstum dann zog, wenn Steuersenkungen als permanent empfunden werden und wenn sie Liquiditätsengpässe bei den Haushalten vermindern. Demnach müssen diese beiden Voraussetzungen überhaupt einmal erfüllt werden, damit das Wachstum ansteigt und somit als Kompensation zur Steuerentlastung greift.

Aus ökonomischer Sicht ist es kurzsichtig zu sagen, dass entgangene Steuereinnahmen durch Wirtschaftswachstum kompensiert werden, zumal diese Finanzierung nur einen Anteil ausmacht. Generell muss bei verminderten Staatseinnahmen mit der Senkung der Staatsausgaben (beispielsweise durch eine Verwaltungsreform oder verminderte Sozialausgaben) gerechnet werden. Auch über die Erhöhung der Staatsverschuldung kann nachgedacht werden, wobei hier gesagt werden muss, dass in Anbetracht der hohen Staatsschuldenquote dieses Instrument nicht noch mehr ausgereizt werden sollte.

Fazit

Wahlversprechen sind keinesfalls per se kritisch zu betrachten – ganz im Gegenteil: Wahlprogramme geben den Wählern eine Orientierung hinsichtlich ihrer Wahlentscheidung. Auch die Mandatstheorie zeigt, dass Parteien versuchen die Inhalte ihrer Wahlprogramme in der Legislaturperiode umzusetzen. Fast in jedem Wahlkampf werden Zusicherungen rund um Steuersenkungen gemacht, denn dies kommt bei Wählern direkt an und überzeugt sie schlussendlich ihre Stimme für genau diese Partei abzugeben. Problematisch sind die Zusagen hinsichtlich Steuersenkungen dann, wenn es keine realistisch umsetzbaren Pläne gibt, um Steuereinnahmeverluste zu kompensieren. Nur allein das zusätzliche Wirtschaftswachstum, das sich aus den Entlastungen entwickelt, wird die verminderten Staatseinnahmen nicht finanzieren und bedarf überhaupt einer Übergangszeit, bis dies greift. Zudem muss der Wähler auch das Vertrauen haben, dass es sich um eine langanhaltende Steuerentlastung handelt und die fehlenden Steuereinnahmen nicht durch neue Steuern finanziert werden. Wahlprogramme sollten nicht nur Versprechen beinhalten, sondern ebenfalls gut durchdachte Finanzpläne, wie Wahlversprechen finanziert werden. Denn nur so profitieren Staat und Bevölkerung von den Wahlversprechen – aber auch die Parteien.

Literatur

Fehr, H. (2009): Haushaltskonsolidierung: Sollte mit dem Ausstieg aus der Verschuldung erst nach Überwindung der Krise begonnen werden? In: Ifo Schnelldienst, Vol. 62 (21), S. 3-12.

Gerhardt, R. und Kriele, M. (2009): Sind Steuerentlastungen nach der Bundestagswahl eine realistische Option? In: Zeitschrift für Rechtspolitik, Vol. 42 (6), S. 161-165.

Praprotnik, K. (2015): Die Policy-Bilanz der Regierung Faymann I. Eine Studie zur Anwendbarkeit der Mandatstheorie. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, Vol. 44 (2), S. 1-14.

Tils, R. (2011): Strategische Regierungssteuerung – Schröder und Blair im Vergleich. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.