Der Zusammenbruch des Finanzsystems ist für Staat, Wirtschaftsakteure und Haushalte ein Schreckensszenario. Die Auswirkungen der vergangenen Finanzkrise sind jedem Einzelnen noch in Erinnerung. Doch wie kann Finanzinstabilität zukünftig verhindert werden, um mit solch verheerenden Schäden nicht wieder konfrontiert werden zu müssen? In den vergangenen Jahren hat sich viel getan und viele Maßnahmen wurden entwickelt, um Finanzinstabilität abzuwenden. Schauen wir uns diese einmal näher an.

Finanzinstabilität schadet den einzelnen Volkswirtschaften und hemmt dessen Wirtschaftswachstum sowie Wohlstand. Daher ist es notwendig, mittels Gegenmaßnahmen auf solche Instabilitäten zu reagieren. Gegenmaßnahmen haben sich in den letzten Jahren einige entwickelt, wobei vor allem zwischen präventiven und reaktiven Instrumenten unterschieden wird: Wie der Wortlaut schon erkennen lässt, werden präventive Maßnahmen schon vor Eintritt von Finanzinstabilität eingesetzt und dienen hauptsächlich der Abwendung zukünftiger Instabilitäten im Finanzsystem. Beispiele solcher Maßnahmen sind zusätzliche Regulierungen, effektive Finanzmarktüberwachungen oder Finanzstabilitätsanalysen. Gesetz des Falles, dass dennoch Finanzstabilität nicht gehalten werden konnte, kommen reaktive Instrumente zum Einsatz. Insbesondere das Instrument des „Lender of Last Resort“ stellt eine hilfreiche Maßnahme dar, um illiquide Banken mittels „Notfallkredit“ durch die Zentralbank zahlungsfähig zu machen. Auch Kapitalverkehrskontrollen sowie die Sanierung der Finanzintermediäre sind wirksame Mittel, um weitere (volks-)wirtschaftliche Schäden zu verhindern.

Präventive Instrumente

Eines der wesentlichen Ziele der Politik muss es sein, das Gleichgewicht des Finanzsystems aufrecht zu erhalten. Insofern ist es wichtig, dass noch vor Eintritt von Finanzinstabilität Maßnahmen ergriffen werden, sollte das Gleichgewicht nicht mehr gehalten werden. Zur Verfügung stehen hierfür mehrere präventive Instrumente, wobei die Wesentlichsten nun näher veranschaulicht werden.

Regulierung des Finanzsektors

In einem globalen und komplexen Wirtschafts- und Finanzsystem ist ein strenges Regulierungskonzept notwendig, um die Funktionalität des Systems im Gleichgewicht halten zu können. Insbesondere im Bankensektor ist die Regulierung dieser Institute jedenfalls gerechtfertigt, um systematische Finanzkrisen zu vermeiden. Als Beispiel einer in den vergangenen Jahren strenger auferlegten Regulierung des Bankensektors ist Basel III. Diese Regulierung erlangte in den  Jahren nach der globalen Finanzkrise 2009 an Prominenz. Basel III ist als ein Regulierungsprojekt zu verstehen, das neue Eigenkapital- und Liquiditätsregeln für Banken vorsieht. Ziel dieser Regulierung ist es, das bestehende Finanzsystem zu stärken und zukünftigen Finanzkrisen entgegenzuwirken, um schlussendlich zum nachhaltigen Wirtschaftswachstum beizutragen. Basel III enthält ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das unter anderem die Stärkung der Qualität, Quantität und Flexibilität des Eigenkapitals, strengere Kapitalanforderungen für einzelne Risikoaktiva, eine intensivere Beaufsichtigung systemrelevanter Banken sowie internationale Liquiditätsstandards beinhaltet.

Auch wenn zusätzliche Regulierungen von der Politik oder Ökonomen oftmals als Lösungsgarant gesehen wird, so müssen diese auch immer kritisch betrachtet werden. Neue Regeln und Normen sind nicht per se die optimale Lösung und bedürfen jedenfalls einer vorsorglichen Abwägung. Überregulierung kann auch dazu führen, dass der Wettbewerb eingeschränkt, Innovationen behindert und das System festgefahren wird. Ein Gleichgewicht zwischen Regulierung und Flexibilität ist jedenfalls notwendig.

Finanzmarktüberwachung

Ein weiteres Instrument, um Finanzinstabilität frühzeitig zu erkennen und zu reagieren, ist die Überwachung des Finanzmarktes. Auf europäischer Ebene wurde hierfür das „Europäische System der Finanzaufsicht“ (ESFS) als dezentrales, mehrstufiges System aus mikro- und makroprudenziellen Aufsichtsbehörden geschaffen. Damit soll eine konsistente und kohärente Finanzaufsicht in der Europäischen Union gewährleistet werden. Da es in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterschiedliche nationale Regelungen im Rahmen der Finanzmarktüberwachung gibt und eine Vollharmonisierung derzeit noch nicht vorgesehen ist, ist eine einheitliche europäische Überwachung jedenfalls positiv zu sehen.

Eine strengere Finanzmarktüberwachung bedeutet jedoch auch mehr und teures  Humankapital, das durch den Staat aufgewendet werden muss. Im Verhältnis zu den weitreichenden und vor allem kostenintensiven Schäden, die durch eine Finanzkrise ausgelöst werden, sind die Kosten der Finanzmarktüberwachung gerne in Kauf zu nehmen, da diese geringer ausfallen.

Die Überwachung des Finanzmarktes ist in den letzten Jahren aufgrund neuer Technologien und der Beschleunigung der Reaktionszeit auf neue Informationen immer schwieriger geworden. Das führt dazu, dass Überwachungsbehörden unter Zugzwang stehen und immer schneller auf Marktveränderungen reagieren müssen. Trotz der Schnelllebigkeit des Marktes und der zu investierenden Kosten stellt die Finanzmarktüberwachung ein geeignetes Instrument dar, um präventiv auf Finanzinstabilität Einfluss nehmen zu können.

Finanzstabilitätsanalyse

Die Finanzstabilitätsanalyse hat als weiteres präventives Instrument das Ziel, den Zustand der Stabilität des gesamten Finanzsystems zu evaluieren. Die Analyse der Finanzstabilität beruht auf Standardindikatoren wie Bilanzdaten, Finanzpositionen des Sektors sowie Verhältnisse zwischen Nettoverschuldung und Erträgen. Darüber hinaus werden Liquiditäts- und Vermögensqualität sowie offene Devisenpositionen näher betrachtet.

Aus der Finanzstabilitätsanalyse resultiert der Finanzstabilitätsmonitor, der überwiegend bekannt ist. Der Monitor verfolgt den Zweck, politische Entscheidungsträger regelmäßig über die Schwachstellen im Finanzsystem zu informieren. Beachtet die Politik die Ergebnisse des Monitors nicht, so läuft der Staat Gefahr, dass die Stabilität des Finanzsystems durch Bankversagen gestört wird. Dies kann zu schwerwiegenden Folgen für die Wirtschaft führen und dementsprechend eine weitere Krisensituation im gesamten System auslösen.

Auf europäischer Ebene ist der Euromonitor ein Beispiel eines solchen Finanzstabilitätsmonitors. Der Euromonitor wurde als makroökonomisches Monitoring- und Frühwarnsystem konzeptioniert. Dabei zielt er darauf ab, bestehende und neu aufkommende Ungleichgewichte aufzudecken, um eine Schuldenkrise im Euroraum nicht zu wiederholen. Hierfür werden Länder danach bewertet, in welchem Ausmaß ein ausgewogenes Wachstum generiert werden kann. All jene Euroländer, die solch ein Wachstum vorweisen können, tragen zur Stabilität der Eurozone bei.

Reaktive Instrumente

Nicht immer greifen präventive Instrumente oder werden von einzelnen Staaten über die Jahre konsistent eingesetzt. Ist Finanzstabilität nicht mehr gegeben, so sind Maßnahmen dringend notwendig, um Schäden weitgehend einzudämmen. Insbesondere Folgeschäden, wie die Verschlechterung der finanziellen Situation der gesamten Volkswirtschaft oder die generelle Zahlungsunfähigkeit von Finanzunternehmen und Banken sind einzugrenzen.

Lender of Last Resort

Die Entwicklung des „Lender of Last Resort“ (LOLR) begann nicht erst seit der letzten Finanzkrise, sondern hat eine langreichende Historie. Schon 1873 setzten sich Ökonomen mit dieser Politik auseinander wobei der Ökonom Bagehot postulierte, dass die LOLR-Politik mindestens drei Bedingungen erfüllen sollte:

  1. Die Kreditvergabe sollte für Institutionen nur als letzter Lösungsweg offen stehen.
  2. Zusätzlich durften Banken solche Kredite nicht zur Finanzierung ihrer laufenden Geschäfte verwenden, weshalb diese mit einer Strafrate ausgestattet wurden.
  3. Zentralbanken sollten im Voraus ihre Bereitschaft zur Kreditvergabe als letzten Lösungsweg für Banken erklären.

Die LOLR-Politik hat sich zwar in den vergangenen Jahren ein wenig verändert, die grundsätzlichen Anforderungen blieben jedoch erhalten. Die Zentralbank ist bislang immer noch die einzige Institution, die die Nachfrage nach sicheren und liquiden Anlagen bedienen darf, um den Bankensektor zu stützen und die Finanzstabilität wiederherzustellen. Aufgrund des ihr übertragenen Monopols zur Ausgabe des gesetzlichen Zahlungsmittels, kann die Zentralbank niemals in ihrer eigenen Währung zahlungsunfähig werden. Deshalb ist es der Zentralbank möglich, durch die Bereitstellung zusätzlichen Zentralbankgeldes die Auswirkungen einer Bankenkrise zu mildern und das Eintreten eines Ungleichgewichts zu verhindern. Die hauptsächliche Aufgabe des LOLR besteht darin, Liquidität für das Bankensystem bereitzustellen, falls eine systemische Liquiditätskrise eintritt.

Auf europäischer Ebene ist die zuständige Institution die Europäische Zentralbank (EZB), die im Bereich der LOLR-Politik das ausführende Organ ist. Die EZB hat in den vergangenen Jahren massiv an Bedeutung gewonnen und wird auch in den kommenden Jahren im Bereich der LOLR-Politik nicht wegzudenken sein. Im Rahmen der finanziellen Krisen in den südlichen Ländern in Europa, stellte die EZB dem Bankensektor nahezu unbegrenzt Liquidität zur Verfügung und kaufte Staatsanleihen dieser Krisenländer, um eine grenzüberschreitende Finanzkrise entgegenzuwirken. Dieses Instrument stellt eine geeignete Maßnahme dar, um Finanzinstitutionen mittels Kreditvergabe durch die Zentralbank als letzte Instanz durch Liquiditätsengpässe zu führen und das Finanzsystem Richtung Gleichgewicht zu lenken.

Kapitalverkehrsbeschränkung

Im Zuge der in den vergangenen Jahren fortgeschrittenen Globalisierung, der eingeführten Grundfreiheiten innerhalb der Europäischen Union sowie der vermehrten Freihandelsabkommen zwischen den Staaten rückte auch die Kapitalfreiheit in den Vordergrund. Die Vorteile der Liberalisierung des Kapitalverkehrs stehen eigentlich in einer positiven Korrelation mit der wirtschaftlichen Entwicklung einer offenen Volkswirtschaft. Jedoch wird mittlerweile eine komplette Liberalisierung ohne jegliche Kapitalverkehrsschranken auch von liberalen Ökonomen kritisch hinterfragt.

Nach den vergangenen Finanzkrisen wurden sämtliche Vor- und Nachteile der Kapitalverkehrsliberalisierung neu bewertet, Nutzen sowie Kosten eines freien Kapitalverkehrs gegenübergestellt sowie die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen zur Begrenzung der Risiken von Banken-, Finanz-, Währungskrisen gefordert. Kapitalverkehrsbeschränkungen sollten insbesondere das Ziel haben, kurzfristige, primär spekulativ motivierte internationale Kapitalströme zu beeinflussen.

Kapitalverkehrsbeschränkungen können in direkte und indirekte Beschränkungen unterteilt werden. Kapitalverkehrskontrollen, bei denen es sich um administrative Maßnahmen handelt, gehören zu den direkten Kapitalverkehrsbeschränkungen. Unter Kapitalverkehrskontrollen fallen beispielsweise die Festlegung von Höchstbeträgen für die Ausfuhr der heimischen Währung durch Reisende oder die Pflicht zum Zwangsumtausch im Ausland verdienter Devisen zu einem staatlich festgelegten Wechselkurs. Steuern auf Kapitalimporte oder Kapitalexporten zählen ebenfalls zu den direkten Kapitalverkehrsbeschränkungen. Unter indirekte Kapitalverkehrsbeschränkungen fällt unter anderem die Versteuerung kurzfristiger Kapitalbewegungen, wie beispielsweise die Tobin-Steuer (Finanztransaktionssteuer auf internationale Devisengeschäfte).

Schlusswort

Neben oben dargestellten Instrumenten gibt es noch weitere präventive und reaktive Maßnahmen, um Finanzstabilität wiederherzustellen. Diese Vielzahl an einsetzbaren Instrumenten lässt das Gefühl von Sicherheit aufkommen. Sicherheit davor, dass der Staat (auch eingebettet in den Maßnahmen der Europäischen Union) vor einer nächsten Finanzkrise gewappnet ist. Trotzdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Welt sehr schnell dreht, neue Innovationen in rasender Geschwindigkeit entwickelt werden und sich neue Probleme und Blasen auf Märkten entwickeln werden, auf die heute noch niemand blickt. Daher ist wichtig, dass die Politik solche Entwicklungen beobachtet, präventiv vorsorgt und nicht erst reagiert, wenn Finanzstabilität nicht mehr gegeben ist.

 

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